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    Heiden sind keine Nazis

    ...und heidnische Symbole keine Nationalsozialistischen. Das muß an der Stelle mal gesagt werden, denn augenscheinlich gibt es selbst bei Politikern und ihren Beratern eine Wissensschieflage.
    Richtig ist, dass in der Vergangenheit Nationalsozialisten Gebrauch von heidnischen Glaubensgrundsätzen und Symbolen gemacht haben, falsch ist jedoch zu behaupten, diese wären umgekehrt rechtsradikal.
    Symbole wie die Swastika oder auch die Triskele als rechtsradikal hinzustellen ist gelinde gesagt schwachsinnig. Diese Symbole sind jahrtausende alt und in vielen Kulturen der ganzen Welt bekannt.
    Noch viel abgefahrener wird das dann bei Symbolen wie Thors Hammer, der selbst im dritten Reich kaum Bedeutung hatte, und sich erst seit einigen Jahren rechtsradikaler Beliebtheit erfreut.

    Meinen Ärger auf sich gezogen hat dabei der Artikel "Braune Lichtmenschen: Anmerkungen zum Heidentum in rechtsextremen Szenen von brandenburgischen landeszentrale für politische bildung (warum schreiben die sich eigentlich klein?). Dieser Artikel, und einige Begriffe aus dem Glossar, vereinfachen und verallgemeinern auf eine Art und Weise, die mein Blut zum Kochen bringen.
    Also nehme ich mir an der Stelle mal die Zeit, den Beitrag auseinander zu nehmen.

    Zur Definition der Heiden:
    Der Begriff an sich ist eigentlich christlich und ursprünglich eine Beschimpfung aller Andergläubiger. Per Definition ist alles, was nicht christlich ist, eben heidnisch.
    Deshalb gibt es auch nicht das Heidentum, vielmehr handelt es sich dabei analog zum Begriff oben für ein Sammelbecken verschiedener Glaubensrichtungen, wie z.B. dem Druiden- oder Keltentum, den Germanen oder auch Wikingern.
    Insofern hat der Autor mit seiner Behauptung, das zwei Heiden, die sich treffen, beileibe nicht an dasselbe glauben müssen, sogar recht. Es gibt aber innerhalb aller dieser Richtungen einige Grundzüge, die durchaus identisch sind. Von einem "Religionshistorisches Patchwork" zu sprechen ist daher quatsch, wie sich weiter unten zeigt.

    So ist jeder heidnische Glauben naturreligiös orientiert, es werden Jahreskreisfeste gefeiert. Welche Feste dabei welche Bedeutung haben, variiert aber genauso wie die Anzahl und Namen der Götter, die angebetet werden. So ist es an jedem Heiden für sich zu definieren, ob er an einem Gott, einem Götterpaar oder einem ganzen Haufen Götter ("Pantheon") glaubt.
    Vor diesem Hintergrund ist jedem Heiden durchaus bewußt, wie es um die Quellen bestellt ist. Die meisten Aufzeichnungen sind in der Tat christlich verfälscht, es stehen selten Originaltexte zur Verfügung - die Kelten haben z.B. keine Aufzeichnungen hinterlassen, vielmehr wurde alles mündlich von Generation zu Generation weiter gegeben.
    Deshalb ist es genauso klar, dass es kaum möglich sein wird, einen alten Glauben 100%ig und fehlerfrei zu rekonstruieren, dies ist auch garnicht wünschenwert, weil ein solcher Glaube zur heutigen Zeit keine Antworten bringen würde. (Die alten Kelten waren z.B. nicht zimperlich, wenn es um die Opfer ging, die sie ihren Göttern dargebracht haben, hier wurden auch mal schnell Gefangene und dergleichen verbrannt.)

    Die Basis heidnischen Glaubens ist aber in der Tat eine Art Zivilisationskritik, die sich darauf beruft, dass wir mit der aktuellen Entwicklung auf einem falschen und sogar gefährlichen Weg sind. Wir sind nicht dabei, uns von unserer Natur zu entfremden, sondern auch von uns untereinander. Und an der Stelle verwehre ich mich davor, rechtsradikale Floskeln wiederzugeben.
    Vielmehr hat die industrielle Revolution und einige andere Dinge dazu beigetragen, dass wir heutzutage eine Reihe von Problemen haben, die der Lösung bedürfen, und viele Menschen spüren, dass diese Lösung nicht vom Christentum kommen wird, da dieses teilweise selbst ein Grund für die Probleme ist.
    Deshalb aber verteufeln Heiden das Christentum und seine Anhänger nicht per se, auch wenn es natürlich hin und wieder das Ziel einiger Bemerkungen ist. ;-)
    Die Kirche und das Christentum wird sich aber irgendwann auch seiner Veranwortung vor der Geschichte stellen müssen, und sich diese Bemerkungen gefallen lassen müssen.

    Heidnische Grundzüge werden heute aus den Arbeiten der Geschichts- und Religionswissenschaftler gezogen, auch die Fabel- und Mythenwelt der alten Kulturen sind Quellen für die Glaubensgestaltung. Hier sei z.B. daran erinnert, dass das Christentum viele Feste übernommen hat. Auch damalige Zeitzeugen werden hinzugezogen, wie oben bereits angesprochen mit dem negativen Beigeschmack, dass die Aufzeichnungen christlich verfremdet wurden. In einigen Teilen Europas haben sich auch bestimmte Bräuche durch die Jahrhunderte erhalten, z.B. in der Britagne und Irland.
    Das aber alle Heiden sich lediglich auf die Edda beziehen würden, die germanischen Ursprungs ist, ist schlichtweg falsch.

    Irrationalismus
    Jetzt fängt die Sache an spannend zu werden. Heiden sind also irrational, weil sie sich auf Dinge berufen, an die man glauben muß? Dann erkläre mir mal bitte einer den Unterschied zum Christentum, da scheint es ja anders zu sein? Ich habe auch im Gottesdienst schon die Worte "Geist" und "Seele" vernommen...
    Ich kenne keinen Heiden, der z.B. die Wissenschaft ablehnen würde, auch wenn sich hier die eine oder andere Kritik anbringen läßt.
    Was ist denn Glaube? Glaube bzw. auch Glaubensinhalte sind etwas, was man wissenschaftlich nicht erfassen kann, es fehlen z.B. Meßgeräte für das Göttliche, und auch die Seele kann man wissenschaftlich zwar definieren, aber nicht anmessen. Das dies dazu führt, dass viele Wissenschaftler uns als eine hormongesteuerte Ansammlung von Atomen und Molekülen bezeichnen ist eine andere Sache, die zerstörerische Wirkung dieser Aussage ebenfalls.
    Was bleibt, wenn es um Glauben geht ist also das Gefühl. Das Gefühl zu spüren, ob man irgendwo gut aufgehoben ist, das Gefühl die eigene göttliche Flamme in sich zu spüren. Wenn ein Christ sich z.B. dem Buddhismus anschließt, tut er das nicht aus einem Wissen daraus, sondern eher, weil ihm (oder ihr) die Religion mehr zusagt.
    Und außerhalb der von uns Europäern definierten Realität gibt es durchaus den Punkt, wo Glaube zu Wissen werden kann. Bestandteil aller naturreligiösen Bräuche sind Rituale, die einen bestimmten Zustand ermöglichen. Dieser Zustand ermöglicht z.B, religiöse Erfahrungen zu machen. Als Beispiel sei hier die Anderswelt gemeint, die in allen schamanischen Glaubensrichtungen als Ort beschrieben wird, in dem Zeit und Raum keine Bedeutung haben. Für uns ist dieser Ort meßtechnisch nicht erfaßbar, und erst die schamanische Realität macht ihn erlebbar.
    (Kleiner Exkurs am Rande, von wegen Glaubensgrundsätze: Aktuellen Forschungsergebnissen zur Folge hat sich der Schamanismus vor über 30.000 Jahren im Bereich Russlands entwickelt, und hat sich daraufhin über die ganze Welt verbreitet.)

    Was die Behauptung angeht, Heiden würden an das Glauben, was ihnen serviert wird, so glaube ich eher, dass dies auf viele Esoteriker zutrifft. Für viele Heiden gilt der Grundsatz, dass sie für ihr eigenes Leben selbst verantwortlich sind, sie stehen z.B. diesen sogenannten "geistigen" Quellen skeptisch gegenüber. Ich habe eigentlich noch keine Aussage wie "Das habe ich von einem Geist gesagt bekommen", an der nicht irgendwie das Versprechen an ein besseres Leben gebunden war. Hinten angeheftet ist dann auch meistens ein Überweisungsträger.

    Das hier Däniken zitiert wird, soll wohl auch nur dazu dienen, das Heidentum als solchen zu diffamieren. Ich kenne die Arbeiten Dänikens und weiß, was ich davon zu halten habe. Ich habe übrigens auch von Rechtsradikalen gehört, die glauben, dass die Erde eine Hohlwelt ist, in der sich Adolf mitsamt einer Flotte Ufos kurz vor Ende des WW2 zurück gezogen hat. Auch da weiß ich, was ich davon zu halten habe.

    Auf den Abschnitt "Antimodernismus und Zivilsationskritik" habe ich gar keine Lust richtig einzugehen. Erstens ist wohl den meisten Heiden bewußt, das damals eben nicht alles Friede-Freude-Eierkuchen war, noch propragieren wir eine Zurück auf die Bäume-Mentalität. Und es ist mir zu blöd, mich mit Esoterikern in einen Topf werfen zu lassen.
    Ich denke, ich werde die Tage mal bloggen, worin sich diese Kritik genau begründet, das sprengt nämlich den Rahmen dieses Beitrags.

    Genauer möchte ich aber auf den Anfang der zweiten Seite des Beitrags, da schlägt der Autor dem Faß nämlich den Boden aus:
    Den Vorwurf, dass die (religiöse) Weltsicht, die das Heidentum vertritt, eine gewisse Nähe zu rechtsextremen Weltanschauungen aufweist, muss es sich aber durchaus gefallen lassen. Denn umgekehrt ist festzustellen, dass fast alle Neonazis in irgend einer Weise esoterische oder heidnische Überzeugungen hegen.
    Ich weiß nicht, wo der Autor etwas über Umkehrschlüße gelesen hat, ihm sollte aber klar sein, dass diese nicht immer angesagt sind. Aber wir können das gerne historisch klären: Das Heidentum hat eine teilweise 300jährige Entwicklung hinter sich, streng genommen war es zwar eine große Zeitspanne hindurch unterdrückt, aber in vielen Familien wurden unter dem Mantel der Verborgenheit naturreligiöse Praktiken gelernt und gelebt.
    Dann kommt anfang des 20. Jahrhundert Adolph mit seinen Mannen, träumt seinen perversen Traum einer Arierrasse mitsamt eines eigenen Glaubens. Er nimmt sich aus den Bereichen, die ihm gerade zusagen das, was er braucht, und publiziert es als arischen Glauben.
    Und weil auch heute noch viele Nazis heidnische Glaubenszüge tragen, ist das Heidentum falsch? Wie cool ist das denn...

    Es stimmt, was die einzelnen Naturrelgionen angeht, so sind diese lokal verschieden, einfach weil sich die Natur ändert. Deshalb ist der naturreligiöse Glaube hierzulande auch anders als der in Lapland oder in der Sahara. Aber kein Heide würde aufgrund dieser örtlichen Gegebenheiten auf einen biologischen Unterschied bei Menschen und dadurch auf unterschiedliche Rassen schliessen - außer eben Rechtsradikale.
    Heiden verehren das Leben, dabei ist es egal, in welcher Form es daher kommt, ob es pflanzlicher oder tierischer Natur ist, viele Schamanen glauben sogar an die Beseeltheit der Steine und achten diese auf ihre Art. Heiden glauben auch, dass es eine Verbindung allen Lebens gibt. Ein solcher Glauben hat keinen Platz für Rassen oder sogar Hierarchien, er ist in seinem ureigensten Sinne basisdemokratisch oder anarchisch, das Führerprinzip oder ein Herrenvolk gehört hier nicht her.

    Also nochmal: Es mag Nazis geben, die sich als Heiden bezeichnen, aber ob sie diese Bezeichnung verdient haben, steht auf einem anderen Blatt. Auf jeden Fall sind Heiden keine Nazis.

    Und ich würde keine Nazis in meinem Kreis akzeptieren.
    zuckerwattewolkenmond - 12. Apr, 20:29

    Na, was machen die Blattläuse? (muss ich einfach mal fragen, auch wenn es völlig off-topic ist *gg*)

    Alariel (Gast) - 20. Sep, 20:29

    Grüss Götter

    ...und dnake für den Beitrag. Ich hätte ja nicht gedacht, dass man hier in D mit sowas rechnen muss - aber bei dem Artikel platzt einem als überzeugtem "Heiden" ja die Hutschnur...

    Eigentlich wollte ich einen Trackback setzen... aber dann bekomme ich immer einen XML-Fehler... darum der Kommentar als eben solcher ;)

    Gruß,
    Alariel

    Ordensbruder (Gast) - 3. Nov, 16:17

    Heiden sind keine Nazis ..

    Hocherfreut wie erstaunt war ich über diesen Artikel. In sich schlüssig und komplex und doch flüssig zu lesen. Ich bin 1. hin und wech 2. Inhaltlich voller Zustimmung.
    allenfalls die Länge des Artikels könnte man anregen als Kritik.

    Ich bin hochgradig erfreut über diesen Artikel

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