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    Donnerstag, 19. Januar 2006

    In Versuchung geführt

    Durch meine Kompilier-Aktion des Enlightenment-Windowmanagers letzte Tage entstand bei mir wieder der Wunsch, eine Linux-Büchse am Laufen zu haben. Mein mit Debian Linux installierter PowerMac lief nach einigen Hardware-Tauschaktionen nicht mehr richtig und brachte sowieso nicht die Leistung, die ich erhofft hatte.
    Ich entschied mich deshalb dafür, einen P3/667MHz, der hier ein eher bescheidenes dasein fristet, heran zu ziehen. Mit einer 9GB UW-Platte an einem Adaptec 2940U2B kann man wenigstens etwas anfangen.

    Wie, kein Debian?
    Da ich mit dem System besagten Enlightenment übersetzen wollte, und dieser sich noch voll in der Entwicklungsphase befindet, also häufigere Kompiliersessions angesagt sind, wollte ich nicht Debian nehmen, denn selbst die Unstable bringt veraltete Versionen von autoconf, automake und so mit, und kommt recht schnell aus dem Tritt, wenn man zu viel selbst hinzu kompiliert. Ausserdem verlangt Enlightenment häufig die aktuellsten Versionen der verschiedenen Grafik-Bibliotheken, was dazu führt, dass man eine selbst kompilierte, und eine ältere aus der Distribution auf der Platte hat - wenn man sich die Debian-Pakete nicht selber baut. Letzteres hatte ich bisher noch nicht gemacht, und da Paket-Abhängigkeiten eine delikate Angelegenheit sind, entschied ich mich gegen Debian, und das Debian-Derivat .

    Der feine Unterschied
    Mein Wahl fiel schließlich auf Gentoo, eine Distribution von der ich schon eine Menge guter Sachen gehört hatte. Gentoo richtet sich primär an den "erfahrenen Linuxer", die Homepage sagt an vielen Stellen "remember, Gentoo is about choice".
    Und diese Wahl überläßt die Distribution dem Nutzer/der Nutzin, indem sie keinen Installer zur Verfügung stellt.
    Die Idee ist schon Klasse und geht ein bißchen in Richtung Linux from Scratch, in dem Beschrieben wird, wie man sich selber ein Linux zusammen kompiliert.
    Gentoo allerdings stellt dafür ein Repository mit einer Vielzahl an Paketen zur Verfügung, was den Umgang fast so einfach macht wie bei anderen Distributionen. Der Vorteil liegt klar auf der Hand: Nicht nur, dass man beim selbstkompilieren die besten Compilerflags für den eigenen Rechner mit angeben kann - also den Grad der Optimierung abstimmen kann, vielmehr kann man bei vielen Programmen den Funktionsumfang mitbestimmen. So haben etliche Anwendungen heutzutage Frontends z.B. für die Console, Gnome und KDE. Wenn man aber KDE partout nicht nutzen möchte, braucht man weder die QT-Library noch das KDE-Frontend auf der Platte.
    Auch überflüssige Locales werden nicht mit installiert, weil man angeben kann, welche Locales überhaupt verwendet werden. Und da wohl die Wenigsten alle auf diesem Kontinent gesprochenen Sprachen verstehen, fehlt einem da auch nichts. Ich habe selbst die Locales für Deutschland weg gelassen, weil mir bei den meisten Übersetzungen eh nur eine kalte Gänsehaut über den Rücken läuft. en_GB ist mein Ding. :-)

    Erste Schritte
    Gentoo kommt als Live CD daher, auf der alles vorhanden ist, was man zur Installation benötigt. Dabei gibt es zwei Ausführungen, eine sogenannte Mini-CD und die "Universal CD". Da Gentoo hochoptimiert ist, gibt es jedes Installationspaket für jeweils jede CPU optimiert, weshalb es sich für DSL-User anbietet, die Mini-CD zu nehmen.
    Wer über einen SCSI-Controller verfügt, muß im Bootprompt der CD neben einem Kernel die Option "doscsi" angeben. Es gibt weitere Optionen, die in der README.txt im Hauptverzeichnis der CD erklärt werden.
    Gentoo bootet mit Splashscreen, man sieht also einen schicken grafischen Bildschirm statt einer Liste von Meldungen. Dadurch entgeht einem aber auch die zeitlich begrenzte Abfrage nach der zur verwendenden Tastatur-Map, die dann auf "us" gestellt wird... Also besser nach der Kernel-Initialisierung ALT+F1 drücken.
    Danach ist Gentoo fertig, und hat man einen Bash-Prompt vor sich. Wenn alles gut gegangen ist, und man einen DHCP-Server irgendwo rumstehen hat, wie ihn auch die meisten DSL-Router standardmäßig mitbringen, hat man auch Zugang ins Internet, sehr wichtig, wenn man die Installationsdateien frisch ziehen will, anstatt die von der CD zu nehmen - was sich ebenfalls empfiehlt.
    Im Folgenden macht man manuell das, was ansonten Installer machen würde, allerdings hat man alle Freiheiten, die man sich nur wünschen kann: Plattenaufteilung, Filesystemtypen, RAID und LVM, die entsprechenden Tools sind da.
    Das Gentoo-Handbuch erklärt dabei alle notwendigen Abläufe und auch deren Grundlagen, also z.B. was Partitionen sind und wie diese angelegt werden. Sehr nett fand ich im nächsten Schritt, in dem es um die möglichen Filesysteme geht, die Gegenüberstellung derselben. Hier stehen die Unteschiede, Vor- und Nachteile, sowie Einsatzgebiete aufgelistet. Aufgrund dessen habe ich mich dann für ReiserFS entschieden.
    Nachdem ich meine Platte mit /boot (64M), Swap (1GB) und Root (der Rest) eingerichtet hatte, wollten diese im nächsten Schritt gemountet werden. Danach kommt normalerweise der Moment, wo Installer hingehen und ein Basispaket aus dem Netz oder von der CD ziehen. Gentoo möchte, dass man ein solches Paket via links2, einem textbasierten Webbrowser, selbst lädt. Also Mirror ausgesucht - prima, die Uni Münster hat sogar einen ganzen Haufen - und herunter geladen. Gemäß der Gentoo-Philosphie der maximalen Optimierung gibt es nicht ein Paket, sondern unterhalb des x86-Verzeichnisses für ordinäre PCs gibt es dann für fast jeden Typ ein eigenes Archiv, u.a. einen für meinen pentium3.
    Und danach kommt schon der Clou, denn nun will Portage installiert werden, praktisch die Gentoo-eigene Paketverwaltung, nur eben auf Source-Ebene.
    Das bedeutet natürlich, dass das Basis-Archiv, welches auch den Namen Stage3 trägt, Compiler und sonstige Entwicklungstools mitbringt.
    Bevor es aber richtig ans Eingemachte geht, wird erstmal in das ausgepackte Grundsystem gewechselt, mittels chroot, danach will das System ein bißchen konfiguriert werden. Es gibt einige für diese Distro spezifische Dateien wie z.B. /etc/make.conf, in der für das System gültige Optionen fürs Kompilieren gespeichert werden. Dazu zählt u.a. die schon zuvor erwähnte Möglichkeit, bestimmte Teile zu bauen, oder zu ignorieren. Hier werden auch die Compiler-Optionen in den Variablen CFLAGS und CXXFLAGS gesetzt.
    Im selben Atemzug setzt man auch die Locales.
    Da aber nur Nano als Texteditor vorhanden war, baute ich mir erstmal vorne weg einen vi zusammen. ;-)

    Der eigene Kernel
    Wer sich für Gentoo entscheidet möchte vielleicht keinen vorhandenen Kernel nutzen, auch wenn das möglich wäre, sondern zu was Eigenem greifen. Und so gehört der Download und die Konfiguration eines solchen Kernels mit zu den ersten Tätigkeiten im eigenen System.

    Spannung: Einen Bootloader installieren & konfigurieren
    Ja, wenn man den Kernel hat, wird es Zeit, einen Bootloader zu installieren, damit man auf die Live CD verzichten kann. Gentoo bietet sowohl grub wie auch lilo. Ich zog mir grub auf die Platte.
    Das alles war auch noch nicht schwierig, danach jedoch zeigte jedoch meine Müdigkeit ihre Schattenseiten: Ganze fünf Neustarts brauchte ich, bis ich die Ursache dafür gefunden hatte, warum grub meinen Kernel nicht booten wollte - ich hatte in der grub.conf ein c zuviel im Kernelnamen, und habe es mehrmals nicht gesehen...

    Ab ans Eingemachte: X11
    Ich ließ meinen Rechner dann laufen, und ließ das neu installierte System erstmal X11 zusammen bauen, während ich seelig schlief.

    Dieser Beitrag ist eine Zusammenfassung von vorgestern bis gestern abend. Den Beitrag zu Enlightenment schrieb ich, während der Compiler auf dem Rechner neben mir zugange war.

    Erleuchtung

    Es gibt in der Unix-Welt mittlerweile ja eine Reihe an WindowManagern, also Programme, die sich im X-Window System um die Verwaltung von Anwendungsfenster kümmern. Dazu zählt in aller erster Linie natürlich die Möglichkeit, Fenster vergrößern, verkleinern, verschieben oder auch schliessen zu können.
    In den letzten Jahren kamen dann eine Reihe weiterer Funktionen hinzu, und seit einer Weile ist der Begriff Eye Candy dafür eine treffende Bezeichnung: Nicht nur auf die Funktion kommt es an, es muß auch schön sein. Mac OS X ist dafür ein prominentes Beispiel, was ja Microsoft zur Entwicklung einer neuen 2D/3D-Engine für das kommende Vista veranlaßte. Man kann mittlerweile den Eindruck gewinnen, dass Themeability, Skinability und (Semi-)Transparenz wichtiger sind als die gute alte Usability.
    Ein Urvater der gestalterisch veränderbaren (themeable) Windowmanager ist Enlightenment. In der Version DR16 (wobei "DR" eigentlich für "Development Release" steht) ist es ein nützliches und vor allen Dingen schönes Tool, an dem wirklich alles verändert werden kann.
    Das Team rund um Enlightenment ist aber schon beim nächsten Schritt, die DR17 kann via CVS als Source-Code vom Server gezogen und kompiliert werden. Na gut, es kann versucht werden, diese zu kompilieren. Ich probiere das schon seit einer ganzen Weile, hatte aber bisher nicht so das rechte Glück. Bis vorgestern, als ich mich dazu entschloß, nicht alles zu kompilieren, sondern nur das Notwendigste.
    Wie die meisten Programme ist Enlightenment kein monolithisches Programm, vielmehr benötigt es eine Reihe von Bibliotheken, die allgemeingültige und häufig verwendete Funktionen zur Verfügung stellen. Die DR17 setzt bereits an der Stelle an, denn anstatt lediglich Bibliotheken für die einzelnen Bildformate (JPEG, PNG, GIF, TIFF...) zu benötigen, entschlossen sich die Programmierer zu einem Rundumschlag, und begannen bei den Enlightenment Foundation Libraries (EFL). Diese Bibliotheken kümmern sich um alles, was mit der Anzeige und Manipulation von Grafiken zu tun hat, und sind damit nicht nur für den WindowManager interessant - auch für die Entwicklung von Anwendungen oder Spielen werden die EFL wohl taugen, ähnlich wie sich auch imlib2, die von DR16 verwendete Grafik-Bibliothek einen Namen gemacht hat.

    Aber zurück zum Thema: Vorgestern saß ich also bis Nachts um 1:30 Uhr (diese Uhrzeit ist mein Schicksal) vor dem Rechner und kompilierte Bibliothek nach Bibliothek, bis ich schließlich voller Spannung an den Punkt kam, Enlightenment selbst zu kompilieren. Ich war wirklich gespannt wie ein Flitzebogen, und hatte immer einen "Fatal Error" vom Compiler vor meinem geistigen Auge, der meinem Traum ein Ende setzte. Als aber auch der make install ohne Fehler durchlief, war es dann soweit: Auf meinem Mac X11 und XNest als Server gestartet, auf meinen Linux-Server, wo ich kompiliert hatte, eingeloggt, und Enlightenment gestartet.
    Und ja, da war sie, die Erleuchtung, die der Name auch schon verspricht. Ich habe ja schon viel an grafischen Goodies gesehen und auch ausprobiert, aber Enlightenment verschlug mir erstmal die Sprache.
    Natürlich bietet DR17 nicht so viel umwerfend Neues an Konzepten, dafür gab es in der Vergangenheit zu viele Revolutionen auch im Desktop-Bereich. Aber die Umsetzung ist gelungen.: So werden beim Default Theme die "Favorite Applications" in der Mitte des unteren Bildschirmrands angezeigt, während Icons in einer ähnlichen Leiste am linken Bildschirmrand geparkt werden.
    Ein Enlightenment-Logo links unten in der Ecke bringt, wie von anderen WindowManagern und Betriebssystem bekannt, ein Menü zum Vorschein, in dem Programme und Konfigurationstools zu finden sind. Der unscheinbare Eintrag "Files..." bringt einen Filemanager zum Vorschein, mit dem man sich grafisch durch die Verzeichnisstruktur hangeln kann. Er ist noch rudimentär, es fehlen noch etliche Funktionen, bis das Teil vernünftig verwendbar ist. Aber Ansätze sind da.
    Neben dem E-Menu liegt ein konigurierbarer Workspace-Manager, mit dem virtuelle Desktops verwaltet werden können. Es gibt eine verkleinerte Ansicht der enthaltenen Fenster.
    Was Enlightenment wirklich auszeichnet ist die Schönheit und Eleganz, mit der das System präsentiert wird. Es gibt viele kleine Animationen, die aber nie einen überladenen Eindruck machen.
    Ich werde die Tage mal einige Screenshots posten, jetzt werde ich mich erstmal in Richtung Bett begeben.

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